ÜBER

Mario Eugen Wyrwinski – Sammler und Fotograf


Trotz Digital- und leistungsstarker Smartphonekameras erlebt ein Fotoapparat aus der Vergangenheit seit einigen Jahren ein Revival: die Polaroidkamera liegt wieder im Trend. Vintagecharme und schnelle Fotos zum Anfassen haben ihren ganz besonderen Reiz, den auch Digital Natives zu schätzen wissen. Einer, der schon seit Jahren mit dem Polaroid-Virus infiziert ist, ist der in Berlin lebende Sammler und Fotograf Mario Eugen Wyrwinski.

Mit den Kameras fing es an. Ein paar Hundert Polaroidapparate befinden sich inzwischen in der Sammlung, unter ihnen die diverse Landkameras, SLR 690 und zahlreiche SX-70 Modelle,  sowie eine Vielzahl an 600 Modellen,usw. Und von allen gibt es, soweit verfügbar, technische, farbliche, gestalterische Varianten und massenhaft Zubehör. Dazu Fachliteratur, historische Filmpackungen und Werbematerial. Wer bei Wyrwinski die Toilette aufsucht, wird selbst dort einen unübersehbaren Hinweis auf seine Sammlertätigkeit finden: einen Toilettenpapierhalter in Form einer Polaroidkamera.

Kernbestand der Polaroidsammlung sind allerdings Bilder, die mit den verschiedenen Kameratypen aufgenommen wurden, und deren Zahl in die Zehntausende geht. Neben Polaroids, die von namhaften Fotografen und Fotografinnen geschaffen wurden, wie Roger Ballen aus Johannesburg und die in Südfrankreich lebende Renée Jacobs, sind es vor allem Alltags- und Gebrauchsfotografien, die von ihm unbekannten Menschen in den vergangenen Jahrzehnten in Europa, den USA und in Asien gemacht wurden, darunter Bilder von Katzen und Gartenpartys, Faschingsumzügen, Sportereignissen, geschmückten Weihnachtsbäumen und Schaufensterauslagen. Auch Landschaften, Architekturen, Babys und Porträts, massenhaft Gesichter und Körper anonymer Menschen, die mal in die Kamera gucken oder ohne ihr Wissen fotografiert wurden, finden sich in den Konvoluten der Sammlung. Es ist ein alltagshistorisches Bildarchiv auf Polaroidbasis, das Mario Eugen Wyrwinski zusammengetragen hat und dessen Motive, vor einem ausgebreitet, die Sogwirkung eines prädigitalen Instagramfeeds entfalten. Nur dass es im Gegensatz zu Instagram keine Zensur von Nacktheit gibt, denn die findet sich ebenfalls in der Sammlung, war es doch einfach, die Geliebte oder den Geliebten unbekleidet mit der Sofortbildkamera abzulichten, ohne anschließend einen Film zum Entwickeln ins Labor geben zu müssen. Polaroid war in der vordigitalen Zeit immer auch privat, wenn man dies wollte.

Die Polaroid-Aktfotografie ist es auch, die den Schwerpunkt von Mario Eugen Wyrwinskis eigener künstlerischer Arbeit bildet. Geschult an den Beispielen vor allem japanischer Meister wie Nobuyoshi Araki und Daido Moriyama, von denen er auch Originale besitzt, fotografiert er seit einigen Jahren Frauenakte in Studiosituationen und in der freien Natur. Dabei interessieren ihn ausdrucksstarke Typen mehr als klassische Schönheiten, skurrile Settings, Inszenierungen und Maskeraden mehr als pure Nacktheit. Für seine Bildnisse verwendet er die gesamte Bandbreite der zur Verfügung stehenden Polaroidkameras und Filme, also auch das 8“ x 10“ Großformat. 2023 hatte er zudem das Glück, eine der seltenen noch einsatzbereiten 20“ x 24“-Kameras für eine Bildserie verwenden zu können, die sich damals gerade in Berlin befand, bevor sie nach China vergeben wurde. Einige dieser Aufnahmen, die schon ihrer Größe wegen eine ganz besondere Aura haben, wurden im Jahr ihrer Entstehung in einer Ausstellung in der Garten of the Zodiac Gallery in Omaha, Nebraska, im Tokyo Art Museum, ausgestellt, 2025 zudem in der Ausstellung „Polaroids“ in der Helmut Newton Foundation in Berlin.

Aktuell widmet sich Mario Eugen Wyrwinski zudem der experimentellen Polaroidfotografie. Polaroidbilder werden mittels chemischer Substanzen, Wärme und Kälte, Druck und anderer Techniken während bzw. nach der Entwicklungsphase bearbeitet, verfremdet und manipuliert. Motivisch entwickelt sich diese Werkreihe frei; neben Aktbildern werden auch Landschafsaufnahmen, Stillleben und Abstraktionen verwendet.